Depressionen und Ängste haben Ursachen

Ich habe viel mit Menschen zu tun, die im Burnout oder einer depressiven Phase sind. In meiner Praxis, in der Beratung am Telefon und online. Abgesehen davon hatte ich selbst ja auch jahrelang mit Ängsten und Depressionen zu tun. Deshalb kann ich mit nicht genug fortbilden, um den Menschen immer besser helfen zu können.

TED Talk Johan Hari

Ich habe mir also einen Ted Talk zum Thema angesehen auf YouTube, von Johann Hari: This could be why you’re depressed or anxious. Zu deutsch: Das könnten die eigentlichen Gründe sein, warum du Ängste und Depressionen hast.

Hari ist der Autor des Buches: „Der Welt nicht mehr verbunden“ . Er hatte selbst viele Jahre seines Lebens Ängste und Depressionen und hat sich auch mit dem Thema Süchte auseinandergesetzt. Zu beiden Themen gibt es sehr hörenswerte TED Talks von ihm.

Jedenfalls hat Hari selbst, als er 13 Jahre alt war, eine Depression bekommen. Sein Doktor hatte damals gesagt: Alles, was du tun musst, ist diese Medikamente zu nehmen und damit das Gehirn wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Anfangs gab es einen Stimmungsboost, doch bald war wieder alles beim Alten und er bekam immer höhere Dosierungen verschrieben.

So hat er viele Jahre Antidepressiva genommen in Höchstdosierungen und sein tiefer Seelenschmerz war dennoch nicht geheilt. Er war nur zugedeckt.

 

Nicht nur ein Ungleichgewicht im Gehirn

Demnach hat er irgendwann gefolgert:

Es kann nicht das Ungleichgewicht im Gehirn die Haupt-Ursache der Depressionen. Sonst wären alle Depressionen ja tatsächlich durch Psychopharmaka heilbar. Viele Menschen nehmen jahrelang Medikamente ein und es geht ihnen nicht wirklich besser.

Es muss auch andere Ursachen geben.

(Anmerkung: Das Ungleichgewicht im Gehirn ist eher ein Symptom, dass der Mensch aus dem Gleichgewicht gekommen ist. Also nicht die Ursache, sondern die Folge!)

In den letzten Jahren konnte Johann Hari außerdem beobachten, dass es in unseren westlichen Industriegesellschaften einen enormer Anstieg an Ängsten und Depressionen gab.

Übrigens bei uns in Deutschland seit dem Ende des Corona Lockdowns haben wir sozusagen als Spätfolgen des Eingesperrtseins in der Pandemie eine wahre Explosion an psychischen Problemen und die Wartezeit auf einen Therapieplatz derzeit ist unterirdisch! – mit im Durchschnitt 5 Monaten in den meisten Regionen Deutschlands, in manchen bis zu 9 Monaten!

Auch die psychosomatischen Kliniken sind überfüllt und die Wartelisten sind lang. Selbst Akutkliniken können oft erst in 3 Monaten einen Platz anbieten. Was völlig irre ist, denn wenn jemand psychisch am Ende ist, dann braucht er jetzt Hilfe und nicht in ein paar Wochen und schon gar nicht erst in einem halben, dreiviertel Jahr! Inzwischen kann er… sag ich mal auch wieder gesund werden, wenn er sich anderweitig Hilfe sucht, außerhalb des schulmedizinischen System, z. B. in der Arbeit mit gut ausgebildeten psychologischen Beratern oder Heilpraktikern für Psychotherapie.

Wenn er jedoch nur allein zu Hause sitzt und leidet, kann er sich auch in der Zwischenzeit was angetan haben. Man darf Depressionen keinesfalls unterschätzen.

Angesichts der Explosion psychischer Krankheiten und der eigenen fruchtlosen Odyssee fragte sich Johan Hari: warum ist das so? Er wollte beide Rätsel lösen: Ursachen für Depressionen und Lösungen finden, die wirklich helfen.

 

Was hilft wirklich gegen Depressionen?

Er machte sich also auf die Suche und forschte in aller Welt nach den Ursachen von Ängsten und Depressionen und befragte führende Experten in den jeweiligen Ländern befragt, was wirklich helfen könnte.

Von 9 bekannten Ursachen für Ängste und Depressionen sind 2 in der Biologie begründet. So können die Gene einen sensibler machen. Die anderen Ursachen betreffen unsere Lebensumstände und Verhaltensweisen.

Wir haben natürliche körperliche Bedürfnisse z.B. nach Nahrung, Wasser, Schlaf, aber auch psychische Bedürfnisse nach Zugehörigkeit, Anerkennung, Wertschätzung. Darauf wird in unserer Gesellschaft viel zu wenig geachtet. Im Gegenteil wird ignoriert, darf nicht sein.

Er erzählt dann so ein Schlüsselerlebnis, als er den südamerikanischen Arzt Dr. Summerfield interviewte, der 2001 nach Kambodscha gereist war und dort einen Vortrag vor den einheimischen Ärzten hielt, um ihnen den Nutzen chemischer Antidepressiva zu verdeutlichen. Diese hatten noch nie davon gehört, doch als er ihnen die Wirkung erklärte sagten sie:

Das brauchen wir nicht, wir haben schon Antidepressiva. Und sie erzähltem ihm die Geschichte von einem Arbeiter auf dem Reisfeld, der durch eine Landmine aus Zeiten des Krieges mit den USA ein Bein verloren hatte. Er bekam ein künstliches Bein verpasst und wurde wieder aufs Reisfeld zurück geschickt. Jedoch begann er ganz viel zu weinen, kam nicht mehr aus dem Bett und hatte alle Symptome einer Depression. Die anderen Arbeiter setzten sich jeden Abend mit ihm zusammen und waren sehr mitfühlend. Sie sagten, sie könnten das schon verstehen, wie es ihm geht, er habe ja auch einen Grund dafür. Es müsste schlimm sein, mit dem künstlichen Bein den ganzen Tag im Wasser zu stehen und jederzeit wieder Angst zu haben, so was könnte nochmal passieren. Einer hatte dann die Idee, dass sie alle zusammenlegen könnten, um dem Mann eine Milchkuh zu kaufen. Davon könnte er als Bauer leben und die Milch weiterverkaufen. Er müsste nie mehr ins Reisfeld gehen.

So machten sie es dann auch und nach kurzer Zeit hörte der Mann auf zu weinen. Es ging ihm wieder gut. Nach einem Monat war die Depression weg.

Also Herr Doktor Summerfield , sagten die Ärzte, die Kuh war das Antidepressivum. Da meinten Sie doch, oder?

Natürlich war es nicht die Kuh, die geholfen hat. Die wahre Medizin war der Zusammenhalt in der Gruppe, das Zuhören, das Füreinander Da Sein, das lebendige soziale Netz im Dorf. Und eine gemeinsame Lösung, eine Unterstützung für den Mann, seine krankmachenden Lebensumstände zu verändern. So dass er wieder eine neue, sinnvolle Aufgabe hatte.

Der Mensch mit Depression ist keine Maschine, die nicht mehr funktioniert, es ist ein Mensch mit unerfüllten Bedürfnissen. (J. Hari)

Und was die Farmer verstanden hatten: Sie haben nicht gesagt: Hey, jetzt reiß dich mal zusammen. Du musst damit allein zurecht kommen. Stattdessen vermittelten sie ihm:

Zusammen lösen wir das Problem. Wir sind für dich da.

Das bräuchte jeder, der eine Depression hat. Das wäre so heilsam.

 

Ursachen in der Gesellschaft

2017 hieß es von Seiten der World Health Organization:

Wir müssen weniger über Ungleichgewichte im Gehirn reden als über Ungleichgewichte in unserer Gesellschaft und unserer Lebensweise.

Medikamente können eine Weile helfen und überbrücken. Die Probleme gehen jedoch weitaus tiefer und die Ursachen dürfen gefunden und angegangen werden. Und zwar als Gemeinschaft, als Gesellschaft. Das sollte nicht einer alleine mit sich ausmachen müssen.

Was uns fehlt in unserer Gesellschaft sind Werte fürs Glücklichsein, die wirklich helfen. Nicht der Run auf Luxusgüter und das Schmücken mit Trophäen und Leistungen, sondern der Zusammenhalt einer Gruppe.

Tatsächlich ist Einsamkeit eines der größten Probleme unserer Gesellschaft. Es liegt ganz viel an den Lebensumständen, die ungesund sind, die unglücklich machen.

  • zu wenig Schlaf
  • zu wenig Verbundenheit mit der Natur
  • zu wenig gesunde Bewegung im Freien
  • nur scheinbare Vernetzung untereinander via sozialer Netzwerke wie Facebook, Instagram und Twitter
  • ungesundes Essen wie Fastfood oder stark industriell verarbeitete Kunstlebensmittel, die kaum mehr Nährstoffe haben.
  • Einsamkeit

Einsamkeit ist dabei einer der größten Faktoren die krank machen.

Das wird jedoch ausgeblendet, und viel zu wenig beachtet. Was habe ich Menschen am Sorgentelefon, die einfach nur allein sind, furchtbar einsam. Die alten Leute sind davon ganz besonders betroffen. Doch wir dürfen nicht unterschätzen: Einsamkeit geht durch die gesamte Gesellschaft. Auch unsere Jugendlichen und Kinder sind unendlich einsam hinter ihren Smartphones, nur scheinbar vernetzt, solange sie allein in ihren Zimmern sind.

>>> Ein gut funktionierendes soziales Netz wäre also so wichtig. Das haben die wenigsten. Die Anzahl guter Freunde ist in den letzten Jahren zurückgegangen.

Gefunden auf Welt.de:

So haben nach eigenen Angaben über 50 Prozent der Deutschen höchstens zwei enge Freunde oder aber gar keine. Und fast jeder achte (13 Prozent) sagte, niemandem seine tiefen Gedanken und Gefühle anzuvertrauen. Das geht aus einer repräsentativen Yougov-Umfrage im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur hervor. Im Durchschnitt haben wir bis zu 4 engeren Freunden.

Diese sehen wir aber keineswegs täglich oder reden mit ihnen.

Hari sagt: Wir sind die einsamste Gesellschaft aller Zeiten. Im Vergleich zu unseren Wurzeln als Menschheit, als wir in Horden und Stämmen gelebt haben, ist das geradezu vernichtend wenig.

 

Die Gruppe als beste Medizin

Nun wissen wir also: Gute Freunde und ein gutes soziales Netzwerk wäre eine tragende Strategie, eine wichtige Lösung für unsere gefühlte Einsamkeit., sprich sozusagen Doch das Ding ist, eine Gruppe, eine Clique, ein neues Rudel findet man heute nicht so einfach. Woher soll das unterstützende soziale Netz denn plötzlich herkommen?

Das Dilemma ist natürlich auch: Wir wollen eine rasche Lösung. Eine schnelle Pille, die wirkt. Etwas, was wir selber schnell tun können. Ohne jede Anstrengung. Deshalb die Suche nach dem Medikament, das endlich wirkt. Dem Arzt, der helfen kann.

Die Suche nach schnellen, individuellen Lösungen ist eine Falle, sagt nicht nur Johann Hari. Ich bin da vollkommen seiner Meinung. Mehr Wir-Verbundenheit wäre die Lösung.

Sei nicht du selbst.  Sei Teil der Gruppe – ist das Fazit von John Hari. Raus aus dem Ego Denken. Nicht Selbstverwirklichung als Lösung sondern Wir-Entwicklung.

Dem stimme ich nur zum Teil zu. Einerseits: Wir Bewusstsein, Wir Gefühl sind unendlich wichtig. Doch: nicht irgendeine Gruppe ist die Lösung.

 

Gemeinsamkeiten als Basis

Denn die Gruppe will zu einem passen, sonst ist man in der Gruppe oder  in der Partnerschaft letztlich wieder einsam. Sonst ist man dann derjenige auf der Party oder im Familienkreis, der sich dennoch ausgeschlossen und alleine fühlt.

Die geteilten Werte, der gemeinsame Sinn, das Ziel, das wir gemeinsam verfolgen, das schweißt eine Gruppe zusammen. Da kann Verbundenheit gefühlt werden.

Die Lösung ist also nicht irgendeine Gruppe, irgendein Partner/in, irgendwelche Freunde zu haben. Das wichtigste ist, mit diesen Menschen wirklich Verbundenheit zu erleben. Durch gegenseitige Wertschätzung, durch offenes Reden miteinander.  Durch sich kümmern umeinander, nachfragen und sich sorgen, wenn es dem anderen mal nicht gut geht oder wenn er/ sie sich eine Weile nicht meldet.

 

Verbundenheit erleben

Verständnis füreinander aufbringen wollen, Interesse aneinander, und ja, das Verfolgen gemeinsamer Ziele, das macht gute Menschenverbindungen aus. Und wenn es auch heute schwer ist, das in einer ganzen Gruppe zu erleben, weil jeder so individualistisch lebt, dann ist das wenigstens in den Zweierverbindungen oder mit den wichtigsten Menschen im Leben etwas, was gut tut und was psychische Grundbedürfnisse erfüllt.

Wenn man Menschen fragt: Was waren die die schönsten Momente in deinem Leben?

Dann erzählen die meisten von Erlebnissen, als sie Teil einer gleichgesinnten Gruppe waren, wo sie anderen helfen konnten und wo auch alle zusammengeholfen haben und füreinander da waren.

In dem Sinne: Lasst uns wieder mehr connecten, also wirklich uns verbinden. Nicht nur online, nicht nur mit Hin- und Her Geschreibsel. Lasst uns uns treffen. Lasst uns wieder Live Seminare erleben, Feste feiern. Interessengruppen vor Ort bilden.

 

Vision Begegnungscafé

Ich hab da so eine Idee, eine Vision: Wie wäre es, einen Begegnungsort zu schaffen für Menschen jeden Alters. Gerne auch mal zeitzonenweise für die Jüngeren, dann für die Mittelalten und die Älteren. Einen Ort, wo man sich zusammensetzt mit jemandem, den man vorher nicht kannte, der jedoch auch Kontakt sucht. Wo man sich gemeinsame Projekte sucht, die Sinn machen. Wo man zusammen Unternehmungen machen kann oder einfach was trinken und erzählen.

Wo es auch einen Platz gibt, an dem man sich mal eine Umarmung abholen kann, wenn man sie braucht.

Wie wäre es, wenn es so ein Begegnungs-Cafe in erreichbarer Nähe gäbe? Mit bezahlbaren Preisen evtl. gesponsert für Menschen, die sich sonst Ausgehen in Cafés  nicht leisten können.

>>>Wie könnte man so etwas organisieren? Gibt es an deinem Ort vielleicht etwas ähnliches?<<<

Ich kenne es bei uns nur für ganz sozial Schwache, da wird von den kirchlichen Organisationen so etwas gelegentlich angeboten.

Ich würde gerne mehr darüber wissen und würde mich auch über Ideen freuen. Vielleicht könnten wir gemeinsam so was in jedem Ort auf die Beine stellen.

Es wäre so wertvoll für unsere Gesellschaft, wieder mehr die Menschlichkeit, das Miteinander und Füreinander Dasein in den Mittelpunkt zu rücken. Und Werten den Vortritt zu lassen, die uns wirklich im Herzen glücklich machen. Das würde die Arbeit vieler Therapeuten und Ärzte vermutlich überflüssig machen und die Pharmaindustrie würde so viel weniger verdienen.

Ja, da nimmst du dir ja selbst die Kundschaft weg, mögen manche denken, denn ich bin ja Psychologische Beraterin und Coach für Lebensfreude und inneren Frieden.

Das glaub ich wiederum nicht. Doch es wären weniger Fälle, die wegen Traurigkeit und Burnouts und Ängsten wegen Lebenskrisen in die Praxis kämen, es wären dann mehr die sozialen Konflikte, der Ärger, der Streit, der Neid oder Fragen zum Umgang mit anderen. Denn Konflikte gibt es immer, wenn unterschiedliche Bedürfnisse und Charaktere aufeinander treffen und wir haben leider nicht gelernt, diese gut und friedlich zu lösen.

Wobei, das eine echte Weiterentwicklung wäre: Wut und Ärger schwingen höher als Depression/Traurigkeit. Das heißt die Lebensenergie wäre definitiv erhöht und wenn es dann noch in  Richtung Freude und Verbundenheit geht, mit zunehmenden Lernprozessen, dann werden wir eine gesündere Gesellschaft.

Was wir verstehen müssen, ist was Depressionen und Ängste wirklich bedeuten. Dass es keine technische Fehlfunktionen  des Gehirns sind, die gerichtet werden müssten.

Sondern wie so viele Krankheiten sind sie ein Signal dafür, dass mit unseren Lebensumständen etwas nicht stimmt. Es ist also eigentlich eine Kompetenz, etwas Wertvolles, das uns die Chance gibt, unseren Kurs zu ändern.

Ursachen finden für Depressionen und Ängste

Fazit:

Wir brauchen einfach eine Kuh. Das ist die Lösung.

Und einen Sinn, einen Grund, warum wir aufstehen jeden Tag. Die Kuh braucht schließlich Futter und Wasser.

Lass uns mehr von dem machen, was für uns Sinn macht, was uns Sinn gibt. Weniger kaufen und äußeren Trophäen nachjagen, weniger Instagram Glitzer Lifestyle, mehr innere Freude, mehr echte Gemeinschaft erleben und echte Werte, die die Seele wirklich nähren.

Namasté, du göttlicher Mensch. Wir sind alle vernetzt und verbunden, wir haben es nur vergessen.

Deine Kerstin …von Lichtfinder

PS: Schreib mir gerne deine Ideen und Feedback an kerstin@lichtfinder.com

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